Europäischer Gesundheitsdatenraum: Pharmaverband kritisiert Patientenrechte

Die Bundesärztekammer begrüßt den angenommenen Kompromiss zur Schaffung eines Europäischen Gesundheitsdatenraums, die Pharmaindustrie fordert dessen Prüfung.

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Person mit einem grünen T-Shirt trägt eine VR-Brille und guckt auf die Projektion einer medizinischen Zeichnung eines Menschen.

(Bild: thinkhubstudio/Shutterstock.com)

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Die Bundesärztekammer (BÄK) begrüßt den vom EU-Parlament angenommenen Kompromiss für den künftigen Europäischen Gesundheitsdatenraum (EHDS) in seiner jetzigen Form. Dem Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) weicht der Kompromiss allerdings zu stark von dem ursprünglichen Kommissionsvorschlag ab. Er fordert darum eine Prüfung der Verordnung.

"Der Europäische Gesundheitsdatenraum hat das Potenzial, den europaweiten Austausch von Patientendaten zu vereinfachen. Er kann Patientinnen und Patienten den Zugang zu ihren Gesundheitsdaten erleichtern und ihnen mehr Autonomie im Umgang mit ihren Daten verschaffen", meint BÄK-Präsident Dr. Klaus Reinhardt.

Ebenfalls positiv sieht die BÄK, "dass im Regelfall nur anonymisierte Daten weitergegeben werden, und die Weitergabe pseudonymisierter Daten nur mit einer besonderen Begründung möglich sein wird". Ebenso sei es richtig, dass eine unabhängige Stelle die Weitergabe der Daten prüft. Bisher gibt es dazu aber noch keine ausreichenden Schutzmaßnahmen, was gerade für besonders sensible Daten wichtig ist.

Aus Sicht von Reinhardt sei der EHDS nun deutlich verbessert worden: "Erst der vorliegende Kompromiss wird unserer Vorstellung von Autonomie der Patientinnen und Patienten über ihre Daten gerecht". Geeignete und auch mit der Verordnung vorgesehene Widerspruchsmöglichkeiten müssten in Deutschland bald umgesetzt werden.

Laut Patrick Breyer von der Piratenpartei konnte zwar "immerhin ein europaweiter Zwang zur elektronischen Patientenakte verhindert werden" seinen Informationen zufolge habe die EU-Kommission jedoch "kurz vor der Abstimmung bestätigt, dass das von der Bundesregierung versprochene Widerspruchsrecht gegen ausländische Zugriffe auf Gesundheitsdaten in der endgültigen Fassung der Verordnung 'nicht vorgesehen' ist. Wer der elektronischen Patientenakte oder ihrer Auswertung nicht insgesamt widerspricht, ermöglicht damit zwangsweise auch einen grenzüberschreitenden Zugriff darauf durch ausländische Behandler, Forscher und Regierungen. Das von der Bundesregierung geplante Recht, speziell grenzüberschreitenden Datenzugriffen widersprechen zu können, ist in der Verordnung nicht rechtssicher vorgesehen", erklärte Breyer.

Mitgliedsstaaten sollen dabei entscheiden dürfen, ob Arztpraxen auch Daten zur Sekundärnutzung bereitstellen müssen. "Der EHDS wird unweigerlich Umstellungen für Arztpraxen bei der Erhebung und Einspeisung von Patientendaten der betroffenen Kategorien mit sich bringen", betonte Reinhardt. "Die Arztpraxen, die ohnehin schon unter einem hohen bürokratischen Aufwand leiden, werden durch die Umstellung zusätzlich belastet. Daher sollte die Bundesregierung von dieser Ausnahmeregel Gebrauch machen und einer weiteren Überforderung vorbeugen. Klar ist darüber hinaus, dass die Kosten, die den Praxen durch die Umstellung entstehen, kompensiert werden müssen."

Dafür hagelt es jedoch Kritik vom BPI, der "den Fortschritt bei der Entwicklung wichtiger Medikamente und Therapien" gefährdet sieht: Diese Ausnahmeregel könnte zu einer "unvollständigen Datengrundlage" führen. "Die Entscheidung der Mitgliedstaaten, Patienten die Ablehnung des Zugriffs auf ihre Gesundheitsdaten durch Angehörige der Gesundheitsberufe oder für Forschungszwecke zu ermöglichen, schwächt die Grundidee eines Europäischen Gesundheitsdatenraums", findet BPI-Hauptgeschäftsführer Dr. Kai Joachimsen. Er sieht eine "dringende Notwendigkeit einer konsequenten europäischen Harmonisierung im Bereich der Forschungsdaten".

Außerdem führe die Prüfung von "Anträgen auf Zugang zu Gesundheitsdaten [...] zu einem administrativen Mehraufwand auf europäischer Ebene und verkompliziert den Austausch zwischen Mitgliedstaaten zusätzlich", heißt es in einer Mitteilung. Joachimsen warnt vor einer "Verwässerung der ursprünglichen Intention des Europäischen Gesundheitsdatenraums. Eine solche Entwicklung gefährdet das volle Potenzial des EHDS und führt zu einem europäischen Flickenteppich, der die Forschungslandschaft nicht fördert", sagte Joachimsen.

(mack)